BSG-Urteil, EHDS, E-Rezept: wie weiter mit – oder ohne – TI und ePA?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitstreiter und Interessierte,
am 6. März hat das Bundessozialgericht (BSG) die Honorarabzüge bei Nicht-Anschluss an die TI für rechtens erklärt und eine Revision einer gynäkologischen Praxis gemeinsam mit dem Medi-Verbund abgewiesen. Das Verfahren war vom Sozialgericht Mainz per Sprungrevision direkt ans BSG gekommen.
Es wird eine ausreichende Datensicherheit gesehen. Eine vorherige Datenschutz-Folgeabschätzung sei nicht zwingend erforderlich gewesen. Die Honorarkürzung stelle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin dar.
Und: „Die Verpflichtung der Klägerin zur Durchführung des Versichertenstammdatenabgleichs dient dem legitimen Zweck, Leistungsmissbrauch durch die Identifizierung ungültiger, verlorener oder gestohlen gemeldeter elektronischer Gesundheitskarten zu verhindern, und ist verhältnismäßig.“
Genau das zweifeln wir schon länger an, und werden versuchen, diese Argumentation weiter einzubringen. Denn: Es gibt bisher keine Zahlen zum Ausmaß eines Missbrauchs von Gesundheitskarten , damit aber und mit der finanziellen Stabilität der Kassen wurde der Honorarabzug im Gesetz zum Honorarabzug sowie bei etlichen Klageabweisungen bisher begründet.
Wie verfährt man nun mit den vielen Quartals-Widersprüchen? Erst mal abwarten. Es kann durchaus sein, dass die KVen nun empfehlen werden, laufende Widersprüche und Klagen zurückzunehmen. Verschiedene Verbände prüfen aber die weiteren Möglichkeiten, etwa auch der Bayerische Facharztverband, der selbst eine Musterklage in Bayern – hier am Landessozialgericht – laufen hat. Wir werden weiter dazu berichten.
https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Verhandlungen/DE/2024/2024_03_06_B_06_KA_23_22_R.html
https://bfds.tcrcloud.de/index.php/s/XTPexjAAd8TNqMY (Artikel zum fraglichen eGK-Missbrauch)
EHDS: Im sogenannten Trilog haben sich kürzlich EU-Parlament, EU-Kommission und der Ministerrat zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) geeinigt. In diesem Datenraum sollen Krankheitsdaten europaweit für die Behandlung (Primärnutzung), aber auch für weitere Zwecke (Sekundärnutzung) verwendet werden.
Es kann jetzt der Primärnutzung widersprochen werden, „es sei denn, dies ist zum Schutz der lebenswichtigen Interessen der betroffenen Person oder einer anderen Person erforderlich“.
Bei der Sekundärnutzung kann zwar der Weitergabe und Nutzung der Daten zu Forschungszwecken widersprochen werden, nicht aber „für Zwecke des öffentlichen Interesses, der Politikgestaltung oder der Statistik sowie zum Schutz von geistigem Eigentum und Geschäftsgeheimnissen“. Das sind alles vage und dehnbare Begriffe.
Erfüllen wir brav alle Vorgaben, werden wir hier gemeinsam mit der opt-out-ePA und der ePA-Befüllungspflicht zu Datenlieferanten für oft eben nicht gemeinwohl-, sondern gewinnorientierte Forschung und Industrie.
https://netzpolitik.org/2024/trilog-einigung-kein-effektiver-widerspruch-gegen-nutzung-von-gesundheitsdaten-durch-dritte/#netzpolitik-pw
Zum E-Rezept: In manchen Praxen scheint es sogar gut zu laufen. Meldungen zu Pannen, Störungen und Verzögerungen kann man jedoch fast täglich im Ärztenachrichtendienst oder auf apotheke-adhoc.de lesen. Apothekerverbände raten bereits zur Rückkehr zum Papierrezept. Meine Patient:innen sind nahezu alle erleichtert darüber, noch ein rosa Rezept zu bekommen – und hier die Verordnungen kontrollieren zu können.
Im sog. Digital-Gesetz ist ein Honorarabzug von 1% dafür vorgesehen, wenn das E-Rezept technisch nicht ausgestellt werden kann. Leider kommt das diesmal zum bisherigen Honorarabzug von 2,5% dazu. Die bayerische KV hat dies kürzlich auf der Vertreterversammlung bekannt gegeben. Es dürfte wohl bundesweit einheitlich geregelt werden.
Das ist höchst ärgerlich, und nicht akzeptabel – aber eigentlich kein Grund, sich jetzt an die TI anzuschließen. Dann hat man nämlich auch den ganzen Ärger mit abstürzenden Systemen oder Störungen beim E-Rezept. Und gerät in Gefahr, zum Datenlieferanten wie oben beschrieben zu werden (zur „Arbeitserleichterung“ sollen die Daten aus dem Praxisverwaltungssystem irgendwann automatisiert in die ePA fließen!).
Von Praxen, die an die TI angeschlossen sind, ist daher immer wieder zu hören, dass ein Abstöpseln erwogen wird. Für Fragen dazu empfehlen wir, sich an das Deutsche Psychotherapeutennetzwerk (DPNW) zu wenden, das sich damit schon näher beschäftigt hat.
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/e-rezept/avnr-zurueck-zu-papierrezepten-an-ostern/
ePA: Wir empfehlen weiterhin den Selbstdruck unseres aktualisierten ePA-Flyers – oder die gemeinschaftliche Bestellung mit Kolleg:innen. Patienten können der automatischen ePA-Einrichtung durchaus schon jetzt – als politisches Statement – bei ihrer Krankenkasse widersprechen. Sie sollten es dann aber sicherheitshalber nochmals tun, wenn sie das umfangreiche Infopaket ihrer Kasse (voraussichtlich in der 2. Jahreshälfte) erhalten haben.
Derzeit ist eine weitere für Laien verständliche Publikation in Arbeit zur Frage, warum mit der ePA das Ende der Schweigepflicht kommt, und sie daher nicht zu empfehlen ist. Wir werden informieren.
Link zum aktualisierten ePA-Flyer
Derweilen sollen Hausärzte nun mehr als bisher schon an der KV vorbei über den Hausärzteverband besser bezahlt werden, dies wird jedoch verbunden sein mit ePA-Pflichten und Sprechstunden abends und am Samstag – auch keine wirklich gute Alternative. Fachärzte wiederum warten auf eine Entbudgetierung. MFA-Stellen sind weiter schwer zu besetzen, Medikamente oft nicht lieferbar. Und über Leistungskürzungen bei den Kassen wird fleißig diskutiert.
Das ist alles höchst unerfreulich. Aber wir haben die Möglichkeit, unsere Patient:innen aufzuklären. Sie merken an vielen Stellen mittlerweile, was im Gesundheitswesen schiefläuft. Wir können ihnen, egal ob mit TI oder ohne - aber ohne ePA, zumindest einen sicheren Raum anbieten – mit Datenschutz und Schweigepflicht.
Herzliche Grüße
Andreas Meißner vom BfDS |