Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitstreiter und Interessierte,
wieder ist es soweit! Alle Kolleginnen und Kollegen ohne TI sollten jetzt gegen ihre Abzüge Widerspruch bei ihrer KV einlegen.
Nach über 3 Jahren Widerstand und Tausenden Euro Honorarabzug sowie der Ankündigung der KV, ich würde ohne TI bald handlungsunfähig, war ich mürbe. Im September 2021 habe ich mich an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen. Als Betroffene kann ich jetzt sagen: Die Realität ist noch viel schlimmer als befürchtet. Unzählige Telefonate mit Hotlines und Mails an die Softwarefirma waren nötig, um das Ding zum Laufen zu bringen. Bis heute habe ich täglich Fehlermeldungen. Eine Einweisung fand nie statt und ich kann die Funktionen bis auf das VSDM gar nicht nutzen. Das stört mich prinzipiell nicht, aber dafür flattert eine undurchsichtige Rechnung nach der anderen ins Haus. Diese TI ist ein unnötiges, teures Desaster! Meine Erfahrungen habe ich der KVB kommuniziert und rate allen Betroffenen, es ebenfalls zu tun.
Einem anderen Kollegen geht es noch schlechter. Er hat die TI gleichzeitig mit mir bestellt, bisher aber nur die Kartenlesegeräte bekommen. Der Konnektor ist nicht lieferbar. Seine Kartenlesegeräte verstauben also ungenutzt im Schrank. Auch er bekommt Rechnungen, aber für ihn laufen parallel die Strafzahlungen weiter. Was für ein Irrsinn!
Eine Abschaffung der Sanktionen, die Rückzahlung der Strafzahlungen und eine dauerhaft freiwillige TI ist überfällig. Was gut ist, setzt sich von alleine durch!
Dieser Meinung ist auch die Freie Ärzteschaft:
https://freie-aerzteschaft.de/category/presse/
Keine Strafzahlungen in Bayern?
Ein Kollege berichtete aktuell von der Landesausschussitzung der KVB. Dort seien verschiedene Beschlüsse zur TI gefasst worden: 1. Die KVB setzt alle Strafzahlungen der TI-Verweigerer aus. Sie würden zwar notiert, aber nicht von der Abrechnung abgezogen 2. Die KK werden keinen Druck auf die Ärzte ausüben und zur TI-Anbindung drängen 3. Die Papierversionen aller elektronischen Dokumente werden weiterhin ihre Gültigkeit bewahren 4. Keinem Arzt wird die Zulassung entzogen oder die Berufstätigkeit eingeschränkt wenn er an der TI nicht teilnimmt.
Bedeutet im Klartext: Kolleginnen und Kollegen, die den Stecker nie reingesteckt oder aber gezogen haben, haben keinerlei Repressalien zu befürchten. Keine Strafzahlungen, Keine Gefährdung der Berufstätigkeit, Kein Risiko des Entzugs der Kassenerlaubnis.
Das lässt hoffen! Eine offizielle Stellungnahme der KVB dazu haben wir noch nicht erhalten.
Petition der KVB: Einjährige Testphase vor Einführung von TI-Anwendungen
Die KVB hat aktuell eine Petition an den Deutschen Bundestag gestartet, die wir ausdrücklich unterstützen! Sie fordert die Einführung einjähriger Testphasen für bevorstehende Anwendungen der Telematikinfrastruktur, z.B. zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und zum eRezept. Auch wenn dort leider nicht das Aussetzen der Sanktionen und die Probleme zentraler Datenspeicherung thematisiert werden, bitten wir um zahlreiche Mitzeichnung!
https://epetitionen.bundestag.de/content/petitionen/_2021/_10/_12/Petition_126863.html
Petition des DPNW gegen E-Evidence-Verordnung
Eine weitere Petition des Deutschen Psychotherapeuten Netzwerks DPNW verdient Ihre Unterstützung! Titel: Kein behördlicher Zugriff auf vertrauliche Daten durch die E-Evidence-Verordnung. Klingt sperrig, ist aber hoch brisant. In Strafverfahren könnten europäische Drittstaaten Zugriff auf in Deutschland zentral gespeicherte Daten bekommen, z.B. aus Patientendaten in der ePA. Damit wäre die Schweigepflicht nicht mehr gewährleistet. Bitte mitzeichnen!
https://www.change.org/p/european-parliament-kein-behördlicher-zugriff-auf-medizinische-daten-durch-die-e-evidence-verordnung
Fragwürdige gematik-Verlautbarungen
Der Gematik-TI-Atlas zeigt: Mehr als 90 Prozent der Arztpraxen seien zwar inzwischen an die Telematikinfrastruktur angeschlossen. Doch kaum eine Praxis nutzt Anwendungen wie ePA oder den eMedikationsplan. Die Angaben der Gematik zu den Anschlusszahlen widersprechen sich – schon 2020 sollten 90% der Kollegen angeschlossen sein. Auch die Zahl der Ärzte, die ePAs befüllt haben, liegt nach Auskunft von Gilbert Mohr, dem Leiter der IT-Abteilung der KVNo im Promillebereich. Man kann die TI 1.0 getrost als gescheitert bezeichnen. Das sieht wohl auch der Gematik-Chef Leyck Dieken so, setzt aber weiter auf TI 2.0, 3.0, 4.0….
https://www.gematik.de/fileadmin/user_upload/gematik/images/TI-Atlas/gematik_TI-Atlas_web_202111_.pdf
Herr Franz-Josef-Müller, langjähriger TI-Kritiker, hat seine Kritikpunkte in einem Brief an den Gematik-Chef zusammengefasst, der gerne weiterverbreitet werden darf (Brief an Gematik)!
Pflicht zu e-AU und e-Rp erst ab 7/22
Mittlerweile wurde die verpflichtende Anwendung von eAU und eRezept wegen technischer Unzulänglichkeiten bis zum 30.6.2022 ausgesetzt:
https://www.kbv.de/html/e-au.php
Noch einmal zur Erinnerung: Das eRezept ist nicht End-zu-End verschlüsselt und nicht auf dem Smartphone, sondern wird in der TI gespeichert! Deshalb ist das eRezept nicht praktikabel und nicht sicher.
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/e-rezept/it-experte-zerlegt-e-rezept-codes/
Ampel plant opt-out für ePA
Diese Pläne der Ampel-Koalitionäre zur ePA musste ich mehrmals lesen. Hier platzt wirklich eine Bombe! Opt-out (man muss sich aktiv abmelden!) als „freiwillig" zu bezeichnen ist eine absolute Dreistigkeit!
Zitat: „Wir beschleunigen die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und deren nutzbringende Anwendungen und binden beschleunigt sämtliche Akteure an die Telematikinfrastruktur an. Alle Versicherten bekommen DSGVO-konform eine ePA zur Verfügung gestellt; ihre Nutzung ist freiwillig (opt-out). Die gematik bauen wir zu einer digitalen Gesundheitsagentur aus."
https://www.aend.de/article/215289
Der Journalist Detlev Borchers zeigt sich auf Twitter ebenfalls fassungslos über die opt-out-Pläne:
https://twitter.com/dborch/status/1461652250359705611?s=20
Medatixx-Hacking:
Große Bauchschmerzen haben aktuell die Anwender der Medatixx-Software, weil die Firma kürzlich gehackt wurde; deren Server wurden durch die Cyberattacke verschlüsselt. Medatixx-Anwender wurden erst 5 Tage später davon in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, ihre Passwörter zu ändern. Ob Daten aus den Praxen abgegriffen wurden und Patientendaten in Gefahr sind, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht bekannt.
Die SZ schreibt dazu: „Eine Erpressersoftware legt ein Unternehmen lahm, dessen Computerprogramme viele Praxen nutzen. Die müssen nun schnell handeln!"
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sicherheit-hacker-praxen-aerzte-ransomware-1.5459693
Alexandra Obermeier aus unserem Kernteam hat einen offenen Brief mit drängende Fragen zum Medatixx-Hacking an die KVB geschickt. Als Antwort kamen von der IT-Abteilung allgemeine Ratschläge zur IT-Sicherheit in Praxen, die dem schwerwiegenden Ereignis eher nicht gerecht werden:
https://bfds.tcrcloud.de/index.php/s/oqQjMNn3BckRjCA
Auch die KBV hat aktuell Hinweise und Beispiele zur IT-Sicherheit für die Praxis veröffentlicht.
https://www.kbv.de/html/1150_55332.php
Der Verein Patientenrechte-Datenschutz hat aktuell wegen des Medatixx-Skandals eine Anfrage zur Sicherheit der TI an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gestartet:
https://patientenrechte-datenschutz.de/anfrage-an-das-bsi-zur-sicherheit-der-telematik-infrastruktur-nach-der-ransomware-attacke-auf-das-unternehmen-medatixx-gmbh-co-kg/
Die neue Regierung ist gut beraten, die Vorschläge des CCC zur Digitalisierung in Deutschland zu beherzigen. Der CCC hat der neuen Regierung Formulierungshilfen für das neue Regierungsprogramm mit auf den Weg gegeben. Herr Spahn ist erfreulicherweise als Gesundheitsminister bald Vergangenheit. Die Ampelkoalition plant wohl, den Volkswirt Herrn Theurer von der FDP zum Gesundheitsminister zu machen. Investoren und Startups werden sich freuen.
https://www.ccc.de/de/updates/2021/ccc-formulierungshilfe-regierungsprogramm
Wir wünschen Ihnen allen viel Kraft und Durchhaltevermögen!
Mit freundlichen Grüßen
K. v. Mücke für das BfDS |