Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe MitstreiterInnen und Interessierte,
wie in unserem letzten Newsletter berichtet, wurde am 20.1.21 das 3. Digitalgesetz (DVPMG) im Kabinett beschlossen. Es soll im Februar im Bundestag verabschiedet werden. Durch dieses Gesetz findet endgültig ein Paradigmenwechsel in der Medizin statt, weg von patientenorientierter Medizin, weg von Empathie und Datenschutz, hin zu einer technokratischen Callcenter-Medizin, wo ein Teledoktor eRezept und eAU ausstellt, ohne den Patienten jemals gesehen zu haben, die Medikamente über die konzerneigene Apotheke geliefert werden können und der Patient bei Bedarf in eine Arztpraxis oder eine Klinik gelotst wird, die ebenfalls einem Investor gehören. Dabei werden die Patientendaten abgegriffen und der Wirtschaft zum Zweck der Wertschöpfung zur Verfügung gestellt.
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/2021/1-quartal/dvpmg-kabinett.html
Fordern Sie die Bundestagsabgeordneten auf, gegen das DVPMG zu stimmen! Eine Liste Ihrer Bundestagsabgeordneten finden Sie unter https://www.bundestag.de/abgeordnete. Die E-Mail-Adresse ist ganz einfach:
Vorname.Nachname@bundestag.de. Einen möglichen Mustertext finden Sie im Anhang. Sie können ihn jederzeit an Ihre Bedürfnisse anpassen.
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Der folgende Appell ist brandaktuell:
„Ich kann den freien, niedergelassenen Ärzten immer wieder nur zurufen: Werden Sie sich bewusst, dass Sie einen Schatz besitzen. Dieser Schatz heißt „Daten“! Achten Sie darauf, dass Sie in keiner Weise das Arztgeheimnis aus der Hand geben! Das ist Ihr ganzes Kapital – und übrigens auch Ihr letztes und einziges Machtmittel! Solange Sie die Daten hüten, Sind Sie ein Faktor, stehen Sie auf der Agenda, sind Sie ein Objekt der Begierde….Wenn Sie es zulassen, dass irgendeine Stelle außerhalb Ihrer Praxis an die Daten herankommt, die nur Sie und Ihre Patienten etwas angehen, haben Sie verloren. Dann verkaufen Sie Ihre Patienten und sich selbst.“
Diese Sätze stammen von Renate Hartwig, einer kritischen Publizistin, aus ihrem Buch „Der verkaufte Patient“ von 2008. Sie hat visionär in die Zukunft geblickt und die aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen vorausgesehen.
Weiterhin schreibt sie:
„Freie, niedergelassene Ärzte sind nicht nur Konkurrenten, die in einem freien Markt ein Stück vom Kuchen beanspruchen, das ihnen die große Gesundheitsindustrie nicht gönnen will. Die Ärzte stören in einer viel fundamentaleren Weise….Sie torpedieren die Idee, das Gesundheitswesen ließe sich als Markt strukturieren. Sie behindern den absoluten Zugriff der Investoren auf das Renditeobjekt Mensch. Sie sind die skandalösen Unterbrecher eines vollständigen Wertschöpfungskreislaufs….Ein Arzt, der sich von niemand in der Welt beeinflussen lässt und einzig und allein kraft seines Gewissens für seine Maßnahmen einsteht – das ist die Provokation schlechthin….Das System schlägt zurück. Es lässt nur eine Alternative zu: anpassen oder ausschalten.“
Diese Sätze möchte ich am liebsten groß plakatiert sehen, als ganzseitige Anzeigen in den Zeitungen und Zeitschriften lesen und im Fernsehen und Radio hören. Wir sollten uns immer bewusst sein, dass wir die HüterInnen des Patientendatenschatzes sind. Nun wird dies durch die aktuellen Gesundheitsgesetze unterminiert, wir werden genötigt und erpresst, die Patientendaten freizugeben, bzw. dürfen Abrechnungsdaten durch das DVG bereits von den Kassen genutzt werden, ohne Zustimmung der BehandlerInnen und unserer PatientInnen. Das ist nicht hinnehmbar!
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Heute stellen wir deshalb die Interessengemeinschaft Medizin (IgMed) vor, die eine Verfassungsbeschwerde gegen eine zentrale Datenübermittlung nach DVG initiiert hat und dafür auch fundraising macht. Zur TI schreibt die IgMed: „Mittlerweile befinden sich die Ärzte durch widersprüchliche Gesetzgebung in einer historisch einmaligen Zwickmühle: die Ärzte sehen sich genötigt, wenn sie das E-Health-Gesetz befolgen (Telematik-Infrastruktur-Zwangs-Anbindung), gegen die eigene Berufsordnung, gegen den § 203 Strafgesetzbuch (Datenschutz) und gegen die EU- Datenschutz-Grundverordnung verstoßen zu müssen“.
https://www.ig-med.de/
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Gerne stellen wir in unserem Newsletter weitere Datenschutzinitiativen vor! Bitte setzen Sie sich dazu mit uns in Verbindung.
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Hier ein Veranstaltungshinweis zur ePA, wo Andreas Meißner aus dem BfDS mitwirkt:
Thema: Elektronische Patientenakten (ePA) in “Wolke 7” – Datenschutz am Boden?
Online-Konferenz am Donnerstag, 4. Februar 2021 von 19.00 – 21.00 Uhr
Der Psychiater und Psychotherapeut Dr. med. Andreas Meißner, der Jurist Jan Kuhlmann und der Dipl.-Informatiker Thomas Maus werden in der Online-Konferenz am Donnerstag, 4. Februar 2021 von 19.00 – 21.00 Uhr zu drei verschiedenen Aspekten der ePA informieren und Fragen beantworten:
• Der Nutzen einer ePA aus ärztlicher Sicht (Dr. med. Andreas Meißner)
• (Datenschutz-)rechtliche Fragen im Kontext der ePA (Jan Kuhlmann)
• Technische Fragestellungen und Probleme der ePA (Dipl.-Informatiker Thomas Maus)
Wer an der Online-Konferenz teilnehmen möchte kann sich über den Link https://conf.ccc-ffm.de/b/uli-krp-myh unmittelbar vor Beginn einwählen.
Veranstalter der Online-Konferenz sind • der Verein Patientenrechte und Datenschutz e. V. , • die Bürgerrechtsgruppe die Datenschützer Rhein Main und • die regionale Gruppe Patientendatenschützer Rhein-Main.
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Durch das Ende Oktober 2020 in Kraft getretene Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) sollen digitale Angebote wie das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte nutzbar gemacht und gleichzeitig sensible Gesundheitsdaten geschützt werden. „Ob das Gesetz diesen beiden Ansprüchen gerecht wird, ist fraglich“, meinen die zweite stellvertretende KVB-Vorsitzende, Dr. Claudia Ritter-Rupp, und der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, Prof. Dr. Thomas Petri, im Interview mit den Münchner Ärztlichen Anzeigen:
https://www.aerztliche-anzeigen.de/leitartikel/patientendaten-schutz-gesetz-selbstbestimmung-trotz-digitalisierung
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In seinem kritischen Leserbrief im Bayerischen Ärzteblatt weist Andreas Meißner aus dem BfDS Kernteam auf die Probleme und Gefahren der zentralen Datenspeicherung und der TI hin. Aus psychiatrischer Sicht ist die Antwort der BLÄK „Danebenreden“:
https://www.bayerisches-aerzteblatt.de/fileadmin/aerzteblatt/ausgaben/2021/01/einzelpdf/BAB_1-2_2021_38.pdf
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Auch wenn sich wenn die Mehrheit der ÄrztInnen und viele PsychotherapeutInnen und PsychologInnen an die TI angeschlossen haben – es ist richtig und fühlt sich immer noch gut an, sich der TI zu verweigern. Informieren Sie Ihre PatientInnen über die Risiken von TI und ePA, schreiben Sie kritische Leserbriefe, diskutieren Sie in den heise-Foren bei den entsprechenden Artikeln über unser Datenschutz-Thema, werden Sie als TI-KritikerIn sichtbar und hörbar, gerade in Corona-Zeiten, wo jedes andere wichtige Thema unterzugehen droht! Vernetzen Sie sich und tauschen Sie sich mit andere TI-KritikerInnen aus – Sie sind nicht alleine!
Wir haben eine Signal-Messanger-Gruppe für TI-KritikerInnen gegründet.
Bei Interesse, sich dort anzumelden, schreiben Sie bitte eine Mail mit Ihrem Namen, der Praxis und Ihrem Bezug zum Datenschutz an signal@gesundheitsdaten-in-gefahr.de
Mit freundlichen Grüßen
v. Mücke für das Kernteam des BfDS
Dr. med. Karen v. Mücke
Internistin, Diabetologin
Entenbachstr. 10
81541 München
Tel: 089-6929528 |