Newsletter - Gesundheitsdaten in Gefahr Bündnis für Datenschutz und Schweigepflicht
Newsletter vom 25.10.2020

Liebe KollegInnen, UnterstützerInnen und Interessierte, 

inzwischen kann der Newsletter des BfDS auf eine rasante Entwicklung zurückblicken. Was 2019 als E-Mail-Kommunikation im Kernteam begann, erreicht nun als Newsletter über 12.500 KollegInnen, auch dank der Unterstützung von Herrn Adler vom Kollegennetzwerk Psychotherapie. Heute feiern wir Jubiläum – mit dem 20. Newsletter des BfDS!

„Telematik-Infrastruktur (TI): Fahren wir die Digitalisierung an die Wand?“ nannte die Akademie für Orthopädie und Unfallchirurgie (AOUC) ihre aktuelle Videodiskussion, wie zu erwarten mit einem kritischen Ansatz. Der Chefredakteur der Zeitung c`t, Gieselmann, gab einen Überblick über die Unzulänglichkeiten und Pannen im System. Er bemängelte erneut die fehlende DSFA der TI. Herr Baumgärtner von MEDI kritisierte das veraltete System mit Konnektoren und den Zwang zum Anschluss. MEDI klagt gegen die Honorarabzüge bei der TI-Verweigerung. In Baden-Württemberg existiert bereits ein TI-unabhängiger, funktionierender und End-zu-End-verschlüsselter elektronischer Datenaustausch zwischen Haus- und Fachärzten und mit der AOK, natürlich freiwillig. Der Moderator, Herr Tenbrock, gab noch zu bedenken, dass es durch die TI zu einer Monopolstellung bestimmter IT-Firmen gekommen sei. Prof. Debatin vom Health Innovation Hub musste zugeben, dass die TI vermutlich ganz anders aussehen würde, wenn man heute noch einmal alles neu machen würde. Er meinte, es würde keiner zur TI gezwungen, es gäbe sonst halt nur weniger Geld.

Online Diskussion zur TI - fahren wir die Digitalisierung an die Wand?

Dass das nicht stimmt, sondern TI-KritikerInnen bewusst abgehängt und ausgeschlossen werden sollen, zeigt die Einführung der KIM-Dienste; aktuell wirbt die KBV für die Einführung des KV.dox-Dienstes, der ausschließlich über die TI funktioniert. Prinzipiell ist so ein sicherer elektronischer Informationsaustausch absolut wünschenswert, aber eben nicht innerhalb der TI mit ihrer zentralen Datenspeicherung! Auch das eRezept und die eAU werden nur über die TI funktionieren. Das heißt, der Druck auf die nicht an die TI Angeschlossenen wächst weiter. Dabei ist das eRezept ohne End-zu-End-Verschlüsselung geplant. Auch gibt es keinen Plan B bei Ausfall des TI-Systems. In jeder Haus- oder Facharztpraxis dürfte das Chaos perfekt sein, wenn akut keine Rezepte mehr ausgegeben werden können, weil die TI nicht funktioniert.

Heise.de: eRezept kommt ohne End-zu-End-Verschlüsselung

Unsere Kollegin Anna Saalfeld hat sich Gedanken gemacht, wie die Komplexität der TI Entscheidungsprozesse beeinflusst. Hier ihre treffende Analyse aus dem aend-Forum mit der Überschrift kognitive Dissonanz: „Warum ist das Thema TI noch nicht in seiner vollen Brisanz bei vielen Kollegen/Kolleginnen angekommen? Meiner Einschätzung nach liegt es u.a. in der hohen Komplexität begründet. Das Thema ist so vielschichtig, dass man dafür Zeit und mentale Ressourcen braucht. D.h. man muss möglichst ausgeruht sein. Und wer hat in seiner (knappen) Freizeit schon Lust, sich mit ärgerlichen Erschwernissen näher zu befassen? Es ist nicht leicht, überhaupt die Telematik-Infrastruktur zu verstehen, die verschiedenen Komponenten (Konnektor, Schnittstellen, ePA, zentraler Abrechnungsdatenspeicher) auseinanderzuhalten, sich in IT-Abläufe einzulesen, die Datenschutzproblematik zu vertiefen etc.

Bei mentaler Belastung neigt man dazu, auf äußere Anforderungen (eindeutige Fristen, Strafen) relativ schnell im Sinne der Anforderung zu reagieren, sodass man das unangenehme Thema vom Tisch hat. Das ist von der Entscheidungsforschung vielfach nachgewiesen, es handelt sich um normales Entscheidungsverhalten. Es wirkt so, als würde all das derzeit von politischer Seite benutzt. Je komplexer das Thema wird, je mehr Gesetze kommen, desto eher können hier Ziele angestrebt und erreicht werden, die nicht jene der Ärzte und Psychotherapeuten (mwd) sein können.“

Unter großen Tamtam wurden die ersten beiden digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGa), also Apps auf Rezept, eingeführt. Die eine App, Velibra, richtet sich an PatientInnen mit Angststörungen. Durch einfaches Ausprobieren konnte man erkennen, ob eine bestimmte E-Mail-Adresse bei der App schon registriert war und hätte so erfahren können, ob die Nachbarin, Freundin oder der Mitarbeiter schon diese App nutzt! Hier ein Zitat aus dem Buch „App vom Arzt“ von Herrn Spahn zu Therapie-Avataren: „Damit die Therapie einer herkömmlichen Psychotherapie noch näher kommt, wurde die Programmierung so weiterentwickelt, dass ein Avatar die Rolle des Therapeuten übernimmt. Dank der ausgefeilten Technik aus der Videospielwelt wirkt alles so, als ob der Patient einen menschlichen Psychotherapeuten per Videokonferenz konsultiert. Eine elegante Methode, die den Mangel an Psychotherapeuten ausgleichen wird. Und noch mehr. Denn der Avatar kann sich perfekt auf jeden Patienten einstellen. Wenn es dem Patienten gut tut, über sein ausgefallenes Hobby, seinen letzten Urlaub auf einer abgelegenen Insel … zu sprechen – alles kein Problem, denn selbstverständlich ist das Psychotherapie-Expertensystem in Echtzeit mit dem Internet verbunden und kann bis ins kleinste Detail mitreden.“

Es geht bei der Behandlung von PatientInnen jedoch um Vertrauen, Zuwendung auf Augenhöhe, Respekt vor der Würde und Freiheit des Einzelnen! Deshalb sind Avatare und die genannten Apps auf Rezept zur verantwortlichen Behandlung denkbar ungeeignet.  

Netzpolitik.org: Sicherheitslücken bei digitalen Gesundheits-Apps

Heise.online: Sicherheitslücken in Apps auf Rezept gegen Angsterkrankungen

Die Bedrohungen durch Ramsomware nehmen immer weiter zu; Kliniken und Praxen werden zunehmend häufiger Opfer von Cyberangriffen, auch Zoomkonferenzen wurden gehackt. Die meisten Arztpraxen dürften gegen diese Bedrohungen nicht gut gewappnet sein. Welche Praxis würde überhaupt merken, dass Daten abgeflossen sind? Dazu werden spezielle Sicherheitsmaßnahmen benötigt, die derzeit noch kein Standard sind.

FAZ.net: bsi-lagebericht warnt vor emotet und ransomware 

Francesca Bria ist eine kritische Vordenkerin des Digitalzeitalters und fordert: „Holt euch eure Daten zurück!“ In einem Beispiel, der Stadt Barcelona, zeigt sie, wie das gelingen kann und wie die Allmacht der IT-Konzerne sinnvoll beschränkt werden kann.  

FAZ.net: Holt euch eure Daten zurück!

 

Unser Fazit: Seien Sie kritisch, behalten Sie Rückgrat und bleiben Sie solidarisch!

 

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Mit freundlichen Grüßen

v. Mücke für das Kernteam des BfDS

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