Newsletter - Gesundheitsdaten in Gefahr Bündnis für Datenschutz und Schweigepflicht
Nesletter vom 30.08.2020
Liebe Kolleg*innen,

TI: Datenschutzbestimmungen, Technik, Zugriffsmöglichkeiten – fast täglich prasseln neue Meldungen dazu auf uns ein. Es fällt schwer, einen Überblick zu behalten.

Mit dem Newsletter wollen wir versuchen, selbigen herzustellen, auch wenn der Newsletter (incl. der Links) vlt. etwas lang gerät. Es sind wieder viele wichtigen Informationen zusammengekommen:

Verfassungsbeschwerde gegen TI

Wie schon herumgeschickt, hat das Therapeutennetzwerk hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die TI initiiert, die man unterstützen kann. Wer noch mitmachen will: bitte bis spätestens 02.09.2020 eine entsprechende Mitteilung mit Adressangabe und Telefonnummer an Frau Larisa Lieb (l.lieb@dpnw.info) senden. Kosten entstehen dafür nicht.
 

Offener Brief an den Bundesrat

Der Bundesrat wird sich am 18.9. mit dem sog. „Patientendaten-Schutzgesetz“ beschäftigen, und damit auch mit den Einwänden des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber von vergangener Woche. Wir haben daher an den Gesundheitsausschuss des Bundesrates einen Offenen Brief gesandt, der schon mitgesandt wurde und auch auf unserer Homepage steht.
Das Gesetz ist wohl vom Bundesrat her nicht zustimmungspflichtig, dennoch kann dieser Einspruch einlegen (laut änd.de).

 

Hintergrund der aktuellen Datenschutzbedenken

Was hat nun auch Kelber auf die Palme gebracht?

Zum Einen geht es um die Zugriffsmöglichkeiten der Krankenkassen auf die personenbezogenen Daten. Heise.de schreibt dazu am 3.8.2020:

„Mit diesem Gesetz (gemeint: das DVG), das auch die Weitergabe von Gesundheitsdaten an die Forschung erzwang, hatten Krankenkassen das Recht erhalten, durch Kooperation mit Unternehmen und durch den Erwerb von Anteilen an Investmentfonds die Entwicklung sog. digitaler Innovationen (z.B. digitaler Medizinprodukte) zu fördern und dazu die - noch nicht einmal anonymisierten - Daten der Versicherten für eine marktorientierte Bedarfsanalyse auszuwerten.

Mit §68b SGB V erhielten die Kassen schließlich die Befugnis, die bei ihnen gespeicherten Daten der Versicherten auch noch für ein individualisiertes "Angebot" auszuwerten, allerdings nur sofern der Versicherte ausdrücklich einer solchen Datenauswertung zustimmt.

Und jetzt die Überraschung: Das Einwilligungserfordernis ist weg. Still und leise gestrichen.“

Dem Artikel bzw. der neuen Formulierung des §68b SGB V zufolge ist im PDSG-Entwurf jetzt nicht nur das Einwilligungserfordernis verschwunden. Auch die Widerspruchsmöglichkeiten sind begrenzt, nämlich nur möglich gegen die „gezielte Information“ durch die Kassen sowie die „Unterbreitung von Angeboten“, nicht jedoch gegen die Datenauswertung. Am 11.10.2019 hatte der Spitzenverband der Krankenkassen bereits zum DVG-Gesetz fast wortwörtlich einen entsprechenden Änderungsvorschlag gemacht, weil man die vorherige Patienteneinwilligung für wenig praktikabel hielt.

Zum Anderen geht es darum, dass genaue Steuerungsmöglichkeiten für Patienten, wer welche Dokumente in der ePA lesen darf, erst ab 1.1.2022 zur Verfügung stehen sollen. Und auch dann ist das wohl nur vom Smartphone oder Tablet aus möglich, nicht jedoch vom häuslichen PC oder Laptop aus.

Insgesamt kritisiert Kelber daher zu Recht, dass weiterhin kein gesichertes Authentifizierungsverfahren für Zugriffe von außen auf TI- bzw. ePA-Daten gegeben ist.

Sehr lesenswert ist daher auch der Artikel vom 27.8. auf heise.de zum Auftritt Kelbers vor der Bundespressekonferenz. Zitiert wird hier auch der Informatiker D. Schröder von der Uni Erlangen, wonach ein feingranulares Zugriffsmanagement technisch kein Problem mehr sei (und eine Verschiebung auf 2022 somit wohl unbegründet ist):

https://www.heise.de/tp/features/ePA-Beipackzettel-als-Ersatz-fuer-Datenschutz-4880280.html

Der Deutschlandfunk hat kürzlich über die wichtigsten Kritikpunkte berichtet, dazu auch ein Interview mit Silke Lüder von der Freien Ärzteschaft veröffentlicht:

https://www.deutschlandfunk.de/digitalisierung-des-gesundheitswesens-probleme-rund-um-die.684.de.html?dram:article_id=482857

https://www.deutschlandfunk.de/elektronische-patientenakte-die-sensibelsten-daten-die-man.694.de.html?dram:article_id=482721

Gutes Interview mit S. Lüder auch auf aend.de: https://www.aend.de/article/207772


Gematik bei Datenschutzfolgeabschätzung durch PDSG fein raus!

Gott sei Dank gibt es heise.de. Laut einem Bericht vom 28.8. (verlinkt; unbedingt lesenswert!) findet sich im PDSG bzw. in den Erläuterungen zum Gesetz folgendes:

"Dass die Gematik im § 307 explizit von der juristischen Gesamtverantwortlichkeit für den Datenschutz entbunden werden soll, erfährt man erst beim Studium der langen Erläuterungen des Paragraphen. Die Gematik lege zwar „konzeptionelle und regulatorische Vorgaben, Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Gefahrenabwehr“ fest. Sie sei aber nicht auf „operativer Ebene“ tätig und somit datenschutzrechtlich für die Verarbeitung der Daten nicht verantwortlich."

Der schwarze Peter bleibt also bei den Ärzten und Therapeuten. So heißt es in dem Bericht auch:

"§ 307 nennt als Verantwortliche an erster Stelle die „Leistungserbringer“, also Ärzte und Praxen, die die TI mit ihren Daten füttern und Patientendaten abrufen. An zweiter Stelle ist von den „Anbietern des Zugangsdienstes“ die Rede."

Ein Grund mehr, sich nicht anzuschließen. Das Risiko der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit erscheint uns eindeutig zu hoch!


TI und ePA weiter von Patienten und Behandlern abgelehnt!

Auch unsere Patienten wollen weiterhin ihre Daten nicht in einer Cloud sehen.Aktuell haben in der Praxis des Kollegen Deiss dies 92% der PatientInnen so in einer Umfrage angegeben.
Infos hier: https://www.praxiswilfrieddeiss.de/egk-telematik-arztgeheimnis-cloud/

Die von uns angeregte Umfrage des änd ergab laut Bericht vom 12.8. (verlinkt), dass 60% der Befragten (2009 KollegInnen nahmen teil) angeschlossen sind. Davon haben aber nur 32% sich einen Mehrwert erwartet. 64% haben sich dem Sanktionsdruck gebeugt.
Und: "Satte 79 Prozent der angeschlossenen Ärzte haben Verständnis für den Entschluss einiger Kollegen, Abstand zur TI zu halten und den Anschluss abzulehnen."


Zahl der TI-Verweigerer

Dieser Tage meldet änd.de, dass laut Kleiner Anfrage der FDP an die Bundesregierung 14% der Ärztinnen/Ärzte bzw. Zahnärztinnen/Zahnärzte bisher nicht an die TI angeschlossen seien.

Interessanterweise wurden die Psychotherapeuten/innen nicht erwähnt, die jedoch die den höchsten Widerstandsanteil haben dürften!

Wichtig zu wissen aber: ein Kollege schrieb aktuell auf änd.de, dass er am Mittwoch (also 26.8.) Kontakt zu einem gematik-Mitarbeiter hatte. Demnach seien ca. 25% der Ärzte noch nicht angeschlossen.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Arzt W. Schinnenburg nannte im Übrigen im Zusammenhang mit dieser Anfrage die TI „eine teure und zu komplexe Fehlentwicklung“. Recht hat er!


Fazit

Es bleibt spannend. Da dürfte noch einiges weit ins Jahr 2021 hinein verschoben oder auch noch ganz abgesagt werden, so dass wir nicht Panik haben müssen vor dem 1. Januar!
Es lohnt sich auch immer, aktiv zu bleiben, und etwa Leserbriefe zu schreiben. Ein Beispiel mit zugrunde liegendem Artikel aus der Medical Tribune im Anhang anbei.

Viele Grüße

Für das Kernteam des BfDS

Andreas Meißner

Praxis für Psychiatrie und Psychotherapie

Tegernseer Landstr. 49

81541 München

Tel.: 089/6914550

Fax: 089/62021187

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